Das adlige Gut Jersbek

Einige der skurrilen Barockskulpturen, die einst den berühmten Park bevölkerten, schmücken nun den Vorgarten des 1620 vollendeten Herrenhauses in Jersbek.

Spielwiese für freigeistige Grafen

Der Jersbeker Barockpark ist als grüne Oase beliebt. Das Herrenhaus jedoch verbirgt sich dem Spaziergänger. Hier setzten Freimaurer-Grafen ihre Ideen um.

Jersbek - Das Gemälde zeigt eine junge Frau mit zwei Kindern: ein Mädchen und einen etwas älteren Jungen. Die junge Frau, die Mutter der beiden, ist Sofie Gräfin von Bernstorff. Diese Tochter des preußischen Außenministers heiratete Theodor Graf von Reventlow, der 1840 das Gut Jersbek kaufte. Was Joachim und Isa, die beiden Geschwister auf dem Bild, nicht wissen konnten: Sie sollten die Urgroßeltern der heutigen Besitzer von Jersbek werden. Ja richtig: "Die beiden sind meine Urgroßmutter und mein Urgroßvater", bestätigt Christoph von Bethmann Hollweg, "das ist so eine Eigentümlichkeit unserer Familie." Das Entschlüsseln dieser Genealogie kann einiges Kopfzerbrechen bereiten. Auch wenn das Gut von dieser mütterlichen Linie der Reventlows her stammt - die väterliche Linie ist nicht minder berühmt: Großvater Theobald von Bethmann Hollweg war Reichskanzler von 1909 bis 1917 unter Kaiser Wilhelm II. Er starb 1921.

Auf ihrem kleinen Balkon sitzen Christoph von Bethmann Hollweg und seine Schwester Verena Janssen gerne in der Sonne.

Wer Jersbek kennt, kennt den wunderschönen Barockpark, den Bendix von Ahlefeldt um 1740 anlegte. Von weither kamen damals die Gäste und staunten. Obwohl heute nur noch ein Bruchteil davon übrig ist, stellt der Garten mit seinen beiden gekreuzten vierreihigen Lindenalleen immer noch eine imposante Anlage dar. Der Spaziergänger atmet befreit auf in dem gepflegten Grün. Christophs inzwischen verstorbener Bruder Cay, der das Gut von Großvater Reventlow geerbt hatte, steckte viel Mühe in seinen Erhalt. "Die Hecken hat er noch mit der Hand geschnitten", erzählt sein Bruder. Cay vererbte das Gut an Christophs Sohn Julius. Die Schwester von Cay und Christoph, Verena Janssen, lebt heute im Herrenhaus und pflegt das Anwesen. Der Park steht inzwischen unter Denkmalschutz, um seinen Erhalt kümmert sich der Kreis Stormarn.

Das Herrenhaus ist freilich noch älter als der Park. Es wurde von 1617 bis 1620 errichtet von Jasper von Buchwaldt und vollendet von seinem Sohn Hans Adolph. Die Buchwaldts hatten das Gut um 1460 von der Familie Hummersbüttel übernommen, die ihren Ruf als "Raubritter" über 100 Jahre lang auf Jersbek und Stegen verteidigt hatten. Der Ortsname bedeutet wohl "Ort des Jerik oder Gerik". Hans Adolph von Buchwaldt ließ 1678 das imposante Torhaus bauen, das sich dem Besucher an der Straße präsentiert und das Herrenhaus dezent abschirmt. Dieser rührige Herr gründete auch die erste Winterschule im Ort und richtete in Bargfeld, das ebenso wie Stegen zum Gut gehörte, ein Armenhaus ein.

Das Gemälde, das Sofie Gräfin von Bernstorff und ihre Kinder Joachim und Isa zeigt, hängt im Wohnbereich des Herrenhauses.

Bendix von Ahlefeldt kam in den Besitz von Jersbek, indem er 1704 der zweite Ehemann der Enkelin von Hans Adolph von Buchwaldt, Anna Margarete, wurde. 1726, nach dem Tod des Schwiegervaters Jasper von Buchwaldt, trat er das Alleinerbe an. Ahlefeldt steht für die Blütezeit des Gutes im Barock. Wissenschaftler, Künstler, Gelehrte und Schauspieler besuchten ihn in Jersbek. Zeitweise hatte Ahlefeldt sogar die Leitung der Hamburger Oper am Gänsemarkt inne. Es gab ein Gartenschlösschen, einen "Thiergarten" mit Damwild und eine Fasanerie, an die heute noch der Name eines Jersbeker Gasthofes erinnert. An einen Freund schreibt Ahlefeldt begeistert, er habe sich einen "Schuwutt" - einen Uhu - zugelegt und wolle mit ihm Krähen jagen.

1754, drei Jahre vor seinem Tod, war Ahlefeldts Vermögen verbraucht. 1774 konnte auch sein Enkel als Erbe das Gut nicht mehr halten, und ein anderer berühmter Mann sollte in Jersbek einziehen: Paschen von Cossel, ein erklärter Freimaurer, wie es auch Ahlefeldt gewesen war. Cossel war für sein Sozialengagement bekannt und löste in seinem Gutsbezirk die Leibeigenschaft auf, sträubte sich aber später anlässlich einer Abstimmung gegen solche Aufhebung. Er hielt es inzwischen für besser, dass die Gutsbesitzer selbst Verantwortung für die Bauern übernehmen, als sie einem ungewissen Schicksal auszusetzen. Doch Cossel soll auch "streitsüchtig" und "wunderlich" gewesen sein. In seiner Halle unterhielt er angeblich ein "ewiges Feuer", und seinen Grabstein im Jersbeker Forst zieren die rätselhaften Worte: "Dem Unbekannten-Bekanntesten / Unsichtbaren-Sichtbarsten / Dem Worte / Ewige Anbetung".

Sphinxe und andere Statuen, die einst das Lustschlösschen im Park zierten, stehen nun beim Herrenhaus. Die recht skurrilen Werke stammen aus der Hand des Bildhauers Ludwig von Lücke, ebenfalls ein Freimaurer der Ahlefeldt’schen Zeit, der auch die Löwen am Ahrensburger Schloss modellierte.

Raubritter auf Gut Stegen

Das Haus des Behindertenheims in Stegen lässt ein Herrenhaus nur noch erahnen.

Bargfeld-Stegen - Johannes von Hummersbüttel war ein streitbarer Ritter im Mittelalter. Er saß auf der Burg Stegen an der Alten Alster und wehrte sich gegen die aufstrebenden Stadtherren von Hamburg oder Lübeck, die ihm die Kontrolle über die Handelswege und den Alsterfluss streitig machten. Da er auf diese Weise viel Ärger machte, ging er als "Raufbold und Wasserstauer" in die Geschichte ein. Der Dichter Detlef von Liliencron baute die Geschichte Ende des 19. Jahrhundert in einem Roman schaurig aus und deutet den Galgen im Wappen der Hummersbüttel auf zweifache Weise. Die Hummersbüttel sagen: "Seht, so hängen wir jeden, der mit uns übel anbindet", die Hamburger und Lübecker: "Mitnichten, das zeigt den Galgen, an dem wir so viele Hummersbüttel gehängt haben."

1346 wurde die Burg Stegen von den Hamburgern geschleift, die Hummersbüttel verlegten ihren Sitz nach Borstel (heute Kreis Segeberg), das ebenso zu ihrem Besitz gehörte wie Jersbek. 1588 wurden Stegen und Jersbek im Rahmen einer Erbteilung (durch Los!) von Borstel abgeteilt, ein eigenes adliges Gut unter der Familie von Buchwaldt entstand. Auf Paschen von Cossels Grab im Jersbeker Forst steht geschrieben "auf Jersbek und Stegen Erbherr".

Ab 1873 bestand das Gut nur noch aus dem Hof Stegen. 1924 kaufte ihn die Hamburger Behinderteneinrichtung "Alsterdorfer Anstalten" und betreibt ihn noch heute als "Alsterdorfer Stiftung". Wohnstätten sind dort untergebracht, der Landwirtschaftsbetrieb, ein Gärtnerhof und ein Hofladen. Das ehemalige Gutshaus wurde 1975 umgebaut und ist nur noch in seinen Gebäudeumrissen als Herrenhaus erkennbar.

Adliger Streit: Wer hatte was mit der Frau im Kerker?

Eine aus dem Gefängnis entflohene Frau war 1792 der Anlass eines heftigen Streites zwischen den beiden adligen Nachbarn, dem Gutsherren von Jersbek, Paschem von Cossel, und dem Amtmann von Tremsbüttel, Christian Graf zu Stolberg. Die Frau hatte im Jersbeker Gefängnis gesessen, weil sie verurteilt war, ihr uneheliches Kind umgebracht zu haben. Es gelang ihr die Flucht auf Tremsbütteler Gebiet, und Cossel verlangte von Stolberg die Auslieferung der Frau. Der Amtmann lehnte jedoch ab. Statt dessen strengte er eine Untersuchung der Gerüchte an, die im Umlauf waren: Ein Neffe Cossels, so hieß es, und ebenfalls der Gefängniswärter hätten Beziehungen zu der Frau gehabt. Cossel, der allgemein als streitsüchtig galt, war darüber so erzürnt, dass er eine Streitschrift verfasste und drucken ließ.