17.02.2010

Archiv-Vorträge: Wiedergutmachung von NS-Verbrechen in Stormarn

Vortrag über die Entschädigung verfolgter Juden und Sozialdemokraten im Kreisarchiv

Theodor Bühren, SozialdemokratIm Rahmen der Vortragsreihe „Zeitgeschichte ist Heimatgeschichte – Stormarn nach dem 2. Weltkrieg“ lädt das Kreisarchiv Stormarn zum nächsten Vortrag über die Nachkriegsgeschichte ein. Der Historiker Florian Bayer schreibt z.Z. an der Universität Hamburg seine Doktorarbeit über die Entschädigung verfolgter Juden und Sozialdemokraten nach 1945 im Kreis Stormarn.

auf dem Foto links: Theodor Bühren, Sozialdemokrat

Am 24. Februar wird er ab 19.00 Uhr im Kreisarchiv in der Mommsenstraße 14 seine Forschungsergebnisse vorstellen. Grundlage der Arbeit ist der Bestand B2 „Opfer des Nationalsozialismus“ im Kreisarchiv, der über 1000 Entschädigungsfälle umfasst.

Die unter dem Begriff der „Wiedergutmachung“ laufende Entschädigung national-sozialistischer Opfer und ihrer Angehörigen ist ein äußerst brisantes Thema, das bis heute immer wieder zu gesellschaftlichen Konflikten führt. In der direkten Nachkriegszeit von 1945 bis 1953 fand die Entschädigung der NS-Opfer direkt vor Ort in den Kommunen und Kreisen statt.

Helena Stein, JüdinDazu wurden in Schleswig-Holstein Ende 1945 auf Anweisung der britischen Militärregierung so genannte „Kreissonderhilfsausschüsse“ gegründet, welche die Entschädigung der ehemaligen Verfolgten vor Ort regeln sollten. Die Betroffenen mussten sich selbst an den im Kreis zuständigen Ausschuss wenden, wenn sie eine Entschädigung erhalten wollten.

auf dem Foto rechts: Helena Stein, Jüdin

Auch in Stormarn gab es ab Ende 1945 einen solchen Kreissonderhilfsausschuss. Dieser war in Bad Oldesloe in der Mühlenstraße 22 tätig und bestand aus einer wechselnden Zusammensetzung von vier ehrenamtlich Mitgliedern. Diese betreuten insgesamt über 1.000 NS-Opfer, von denen etwa ein Drittel Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten waren.

Die Arbeit des Ausschusses war keineswegs einfach, denn seine Mitglieder wurden bei der Bearbeitung der Entschädigungsanträge mit den schrecklichen Erlebnissen der Verfolgten konfrontiert und mussten die Entschädigungswürdigkeit der Antragsteller anhand oftmals ungenauer gesetzlicher Vorgaben beurteilen.

Gustav Steglich, Zeuge JehovasDie Antragsteller selbst besaßen in vielen Fällen keine Beweise mehr für ihre Verfolgung oder an ihnen verübte Misshandlungen, was die Entscheidungen sehr schwierig machte. Die Mitglieder des Kreissonderhilfsausschusses versuchten, ihre Entscheidungen im Zweifelsfalle zugunsten der Antragsteller zu treffen, um ihnen eine Entschädigung zu ermöglichen.

auf dem Foto links: Gustav Steglich, Zeuge Jehovas

Für Sozialdemokraten und Juden war sie relativ einfach zu erreichen, da sie sich auf gesetzliche Vorgaben wie die Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen berufen konnten. Andere Betroffene hatten wesentlich größere Schwierigkeiten ihre Verfolgung nachzuweisen, oder wurden auch weiter in der Bundesrepublik strafrechtlich verfolgt, wie z.B. Homosexuelle.

Ab 1948 wurde die Entschädigungspraxis jedoch immer schwieriger, da die endgültige Entscheidungsbefugnis an die Landesentschädigungsbehörde nach Kiel verlagert wurde. Hier gab es oftmals keinen direkten Kontakt zu Betroffenen mehr und die Entschädigungsansprüche wurden aus Sparsamkeitsgründen vielfach gekürzt.

Florian Bayer wird den Prozess der Entschädigung im Kreis Stormarn für die Nachkriegszeit anhand von einzelnen Fallbeispielen aus der Entschädigungspraxis darstellen und aufzeigen, welche Schwierigkeiten sich ergaben. Zusätzlich zur Entschädigung von Juden und Sozialdemokraten wird der Florian BayerReferent auch einen Ausblick auf die Entschädigung weiterer Opfergruppen, wie beispielsweise der Zeugen Jehovas, geben, die er im Rahmen seiner Forschungsarbeiten bereits untersucht hat.


Der Referent:
Florian Bayer (M.A.) (auf dem Foto rechts) studierte von 2003 bis 2008 Geschichte, Medienkultur und Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. Nach Abschluss seines Studiums begann er mit der Arbeit an einer Promotion über die Entschädigung von NS-Opfern im Kreis Stormarn. Darüber hinaus ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle „Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland“ in Hamburg tätig.