09.04.2010

Slawen in Holstein - 1000 Jahre Missverständnis?

Dr. Susanne LuberDas Kreisarchiv Stormarn lädt zusammen mit dem Schleswig-Holsteinischen Heimatbund, Kreisverband Stormarn, zu einem Vortrag am 21. April 2010, 19.30 Uhr, von Dr. Susanne Luber (auf dem Foto rechts) ein. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Eutiner Landesbibliothek spricht zu einem bewegten und umstrittenen Kapitel der Landesgeschichte und deutschen Reichsgeschichte.

Es geht um das Bild und das Verständnis von Fremden, in diesem Falle von Slawen, erläutert Kreisarchivleiter Dr. Johannes Spallek.

Die holsteinische Geschichte verbindet man kaum mit großen historischen Ereignissen, mit Kriegen und Kampfgetümmel, Priestermorden, Aufständen, Zerstörung von Heiligtümern. Aber all das hat es tatsächlich gegeben. Seit der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen verlief quer durch Holstein eine Grenze zwischen zwei Völkern, zwei Kulturen und zwei Religionen. Östlich von Stormarn verlief von Lauenburg bis Kiel die Grenzzone, die die mittelalterlichen Chronisten „Limes Saxoniae“ nannten. Im Osten siedelten slawische Stämme, im Westen sächsisch-germanische. Hier begegneten sich zwei Welten, die sich häufig gegenseitig fremd und auch zeitweilig sehr feind waren.

"Vizelin" aus David Franck: Alt- und Neues Mecklenburg. Güstrow u. Leipzig 1754. (Eutiner Landesbibliothek)Als das fränkisch-deutsche Reich über die Elbe hinaus nach Norden und Osten expandierte, setzten sich die Slawen in Holstein und in Mecklenburg heftig zur Wehr. Über 200 Jahre dauerte diese Auseinandersetzung der Siedler und der christlichen Missionare , an der Spitze der Bischof Vizelin (auf dem Bild rechts). Am Ende des Prozesses mussten sich die Slawen der weltlichen und geistlichen Macht des christlichen Abendlandes unterwerfen. Ihre Religion, ihre ethnische Identität und ihre Sprache gingen weitgehend verloren.

Heute geben nur noch Ortsnamen, archäologische Funde und wenige Schriftquellen Auskunft über die Slawen, die im Mittelalter in Ostholstein gesiedelt haben.

Die deutsche nationale Geschichtsschreibung späterer Jahrhunderte setzte die „Sklavenkämpfe“ des Mittelalters fort. Vor allem die Historiker des 19. und 20. Jahrhunderts ließen die Expansion des Deutschen Reichs nach Osten zum „Sieg deutscher Sitte, Kultur und Rasse“, zur „kolonisatorischen Großtat“ oder gar zum „Weltkampf gegen das Slawentum“ ideologisch delisieren.

Aufbauend auf mittelalterliche Quellen, wie der Chronik von Helmold von Bosau, zeichneten deutsche Historiker die Slawen als kulturlose, grausame Heiden, als „Eindringlinge aus dem Osten“, manchmal sogar als menschenverachtende Volksstämme. Erst jüngere Historikergenerationen aus Ost und West gelangten zu einer objektiveren, von nationalen stereotypen sowie von Wunsch- und Hassbildern freieren Betrachtungsweise.

Der Vortrag im Kreisarchiv Stormarn, Mommsenstraße 14,direkt am Bahnhofsplatz in Bad Oldesloe, zeigt auf, welche historischen Missverständnisse seit Helmold von Bosau bis in die Gegenwart lebendig geblieben sind und wie sich das Bild der Slawen vom Mittelalter bis zum 19. Jahrhundert gewandelt hat.
Der Vortrag wird gefördert durch die Sparkassen-Kulturstiftung Stormarn der Sparkasse Holstein.

Der Eintritt ist frei.
Ort: Kreisarchiv Stormarn, Mommsenstr. 14, Bad Oldesloe