17.06.2010

Kommunale Gleichstellungsbeauftragte fordern Stopp geplanter Kürzungen

Kommunale Gleichstellungsbeauftragte fordern Stopp geplanter Kürzungen beim Wiedereinstieg in den Beruf und bei Gewaltschutz - „Frau & Beruf“ bekommt ab 2014 kein Geld mehr – Frauenhäuser und -beratungsstellen erhalten immer weniger

Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der hauptamtlichen kommunalen schleswig-holsteinischen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten fordert die Landesregierung dazu auf, alle vorgesehenen Einsparungen darauf zu überprüfen, welche unterschiedlichen Auswirkungen sie auf Frauen und Männer haben und dabei die strukturellen Benachteiligungen, von denen Frauen in vielen Bereichen immer noch betroffen sind, zu berücksichtigen.

Dass die Einsparungen vor allem auf Kosten von Frauen gingen, wundert die Gleichstellungsbeauftragten nicht: in der Haushaltsstrukturkommission saßen sieben Männer und eine Frau.

Wenn Frauen eine Arbeit oder Schutz vor Gewalt suchen, können sie sich derzeit noch an die landesweit elf Beratungsstellen „Frau und Beruf“ wenden oder ins Frauenhaus gehen. Doch damit könnte bald Schluss sein.

Geht es nach den Plänen der Haushaltsstrukturkommission Schleswig-Holsteins, bekommen die Beratungsstellen Frau und Beruf ab 2014 kein Geld mehr. Auch bei den Frauenhäusern und –einrichtungen soll gespart werden. 2011 wird die Landesförderung für Frauen-Fachberatungsstellen um 28.000 Euro, im darauf folgenden Jahr schon um eine halbe Million Euro gekürzt.

Zwar sollen die Einrichtungen „im Kern“ erhalten bleiben. Sie alle haben jedoch schon in den letzten Jahren ihre Arbeit wesentlich sparsamer und effektiver gemacht. Daher sehen die Gleichstellungsbeauftragten keinen weiteren Spielraum für Einsparungen. „Hier ist eine Grenze erreicht“, so Verena Balve, Gleichstellungsbeautragte in Flensburg und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft. Sie befürchtet, dass durch die angekündigten Kürzungen Einrichtungen komplett schließen müssen oder nicht alle gefährdeten Frauen einen Platz im Frauenhaus erhalten können.

„Das Aus für die Beratungsstellen 'Frau & Beruf' ist eine Katastrophe“, so Marion Gurlit, ebenfalls Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft und Gleichstellungsbeauftragte in Bad Oldesloe, wo sie gemeinsam mit dem Bürgermeister von Bad Oldesloe Vorsitzendes des „Fördervereins für Arbeit und Bildung in Stormarn“ und damit Träger der Beratungsstelle vor Ort ist. „Sie leisten wertvolle Arbeit, unterstützen Frauen niedrigschwellig bei der Berufsfindung, beim Wiedereinstieg in den Beruf oder bei der Suche nach einem Arbeitsplatz. Nicht nur die qualifizierte Beratung fällt weg, sondern auch die in vielen Jahren aufgebauten Kontakte zu Arbeitgebern.“

Die Haushaltstrukturkommission begründet die Kürzungen mit dem Abbau von Doppelstrukturen. Welche gemeint sind, ist für die Gleichstellungsbeauftragten nicht erkennbar. Die Angebote von Frau & Beruf sind vielmehr eine Ergänzung des Angebotes der Bundesagentur für Arbeit, dies wird vor Ort immer wieder betont. Weder bei der Arbeits- noch bei der Wirtschaftsförderung in den Kommunen gibt es entsprechend spezialisierte, niedrigschwellige Angebote zur Berufsorientierung für Frauen wie bei „Frau und Beruf“.

Neben den geplanten Kürzungen in den Bereichen Frauen im Beruf und Gewaltschutz für Frauen kritisieren die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten weitere Punkte des Sparpaketes:

1. Begrenzung der Prozesskostenhilfe / Rechtsberatungshilfe
Eine Begrenzung der Hilfe bei Prozess- und Rechtsberatungskosten würde vor allem Frauen mit geringem Einkommen wie Alleinerziehenden oder Rentnerinnen eine Durchsetzung ihrer Rechte vor Gericht, z.B. bei Trennung/ Scheidung, Häuslicher Gewalt oder sexueller Belästigung erschweren oder unmöglich machen.
„Diese Frauen müssen auch in Zukunft die Möglichkeit haben, sich rechtlich beraten zu lassen und einen Prozess zu führen,“ so die Forderung der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten.

2. Streichung des kostenfreien dritten KiTa-Jahres und der Schülerbeförderungskosten
Die LAG der hauptamtlichen kommunalen Gleichstellungsbeauftragten begrüßt, dass Verschlechterungen der Standards in der frühkindlichen Bildung nicht vorgesehen sind und das Land weiter in Krippen und Kindertagesstätten sowie die Ganztagsschule investieren will.

Die Streichung des beitragsfreien dritten Kitajahres ab August 2010 sehen die Gleichstellungsbeauftragen dagegen problematisch.

„Für Frauen ist eine bedarfsgerechte und qualitativ hochwertige Betreuung ihrer Kinder besonders wichtig, wenn sie Familie und Beruf unter einen Hut bringen wollen,“ begründet die Flensburgerin Verena Balve. „Das beitragsfreie Kitajahr vor der Schule sollte dazu beitragen, dass alle Kinder mit gleichen Grundvoraussetzungen in die Schule kommen. Dies ist nun nach kaum einem Jahr wieder vom Tisch.“

Auch die Streichung der Gelder für Schülerbeförderung wird kritisch gesehen. Vor allem auf dem Lande können alleinerziehende und einkommensschwache Mütter die Fahrtkosten für ihre Kinder oft kaum aufbringen. Es könne nicht sein, dass begabten Kindern der Besuch auf einer weiterführenden Schule aus Kostengründen verwehrt bleibe

3. Streichung der Landesmittel für die Mädchentreffs und Streichung der geschlechtsspezifischen Jugendarbeit
Die Gelder für die Mädchentreffs sollen nur noch bis Ende 2010 gezahlt und dann komplett gestrichen werden, d.h. die vier Mädchentreffs (Ostenfeld, Husum, Schleswig, Preetz) sind von Schließung bedroht. Hinzukommt, dass der Fördertopf geschlechtsspezifische Jugendarbeit komplett gestrichen wird. Marion Gurlit, Sprecherin der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten dazu: „Das ist ein absoluter Kahlschlag und so nicht hinnehmbar. Dadurch verbleiben die LAG „Mädchen und junge Frauen“ und die LAG Jungenarbeit ohne eigenen Etat und ohne Basis. Gewachsene Strukturen werden zerschlagen.“

Die hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten wünschen sich von den Entscheidungstragenden ein transparentes Verfahren, so dass die Planungen einschätzbar werden und zu Reaktionen Gelegenheit gegeben wird.