14.05.2019

Gemeinsam für gleichwertige Lebensverhältnisse

„Bleibeperspektiven“ durch Infrastruktur- und Förderpolitik

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Der Deutsche Landkreistag (DLT) und der Deutsche Bauernverband (DBV) treten gemeinsam für gleichwertige Lebensverhältnisse ein. Vor dem aktuellen Hintergrund der entscheidenden Phase in der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ machten DLT-Präsident Landrat Reinhard Sager und DBV-Vizepräsident Werner Schwarz anlässlich der Präsidiumssitzung des Deutschen Landkreistages im Kreis Stormarn auf eine Reihe von zentralen Punkten aufmerksam, um die Entwicklungsbedingungen ländlicher Räume zu unterstützen.

Dazu unterstreicht DLT-Präsident Sager: „Es geht darum, für die Menschen in den ländlichen Räumen echte Ankerpunkte und Bleibeperspektiven zu schaffen und zu erhalten. Aus den verschiedenen Faktoren für attraktive Lebens- und Wirtschaftsstandorte muss ein wirksames Paket zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse geschnürt werden.“
DBV-Vizepräsident Werner Schwarz ergänzt: „Wir müssen darauf hinwirken, dass wieder mehr junge Menschen Perspektiven zum Leben und Arbeiten und auch als Unternehmer in den ländlichen Räumen für sich entdecken. Der Übergang zur digitalen Wirtschaft bietet hier neue Chancen. Dazu brauchen wir bei der digitalen Infrastruktur eine wirklich flächendeckende Versorgung. Wir müssen hier in Deutschland dringend aufholen.“

DLT und DBV halten die folgenden Punkte für vordringlich:

  • Flächendeckendes leistungsfähiges Internet auf Basis von Glasfaser- und 5G-Technologie
  • Ausbau der Förderung von Unternehmen und Infrastrukturen in ländlichen Räumen über die Gemeinschaftsaufgaben
  • Mobilität und Erreichbarkeit in und von ländlichen Räumen
  • Dezentralisierungsstrategie von Bundes- und Landeseinrichtungen

Gemeinsame Forderungen im Detail:

Flächendeckendes leistungsfähiges Internet auf Basis von Glasfaser- und 5G-Technologie

Die flächendeckende Internetversorgung auf Basis von Glasfaser- und der Mobilfunktechnologie 5G gilt mittlerweile als die wichtigste Voraussetzung für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land. Um hochleistungsfähiges Internet ubiquitär in der Fläche verfügbar zu machen, sind dringend Maßnahmen zum konsequenten Glasfaserausbau und zur flächendeckenden 5G-Versorgung auf den Weg zu bringen.

a)    Glasfaser überall in Deutschland

Die Verfügbarkeit moderner digitaler Netze überall in Deutschland ist Grundbedingung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Während die Städte und Ballungsräume mit den Kabelnetzen bereits heute in weiten Teilen über eine gigabitfähige Netzinfrastruktur verfügen, hängt eine flächendeckende Versorgung der ländlichen Räume mit Glasfaserinfrastrukturen insbesondere vom finanziellen Engagement des Bundes, der Länder und der Kommunen ab.

Vor diesem Hintergrund halten es der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Bauernverband für dringend erforderlich, dass das bereits avisierte Förderprogramm für „graue“ Flecken nunmehr möglichst schnell der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt, mit Finanzmitteln entsprechend der im Koalitionsvertrag angekündigten Höhe dotiert und zeitnah umgesetzt wird.

Die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vorgelegten Eckpunkte stellen eine gute Grundlage für ein solches Förderprogramm dar. Zu begrüßen ist insbesondere der geplante Verzicht auf eine Aufgreifschwelle, was der Gefahr vorbeugt, dass der dringend erforderliche Infrastrukturwechsel hin zur Glasfaser durch weniger leistungsfähige Übergangstechnologien (z. B. Vectoring) verzögert oder verhindert wird.

Für wichtig erachten die Verbände auch, dass Fördergebiete künftig so zugeschnitten sein sollen, dass es nach Abschluss des Projektes in der betreffenden Gebietskörperschaft keine unversorgten Bereiche mehr geben wird. Eine solche Vorgehensweise trägt entscheidend zu einem effizienten Einsatz der Fördermittel bei, da sich ein nachträglicher Lückenschuss in aller Regel als deutlich aufwändiger erweist.

Änderungen sind noch im Hinblick auf das Markterkundungsverfahren notwendig. Die Landkreise mussten in der Vergangenheit immer wieder erleben, dass Telekommunikationsunternehmen entgegen ihren Bekundungen in diesem Verfahren den eigenwirtschaftlichen Ausbau in Förderprojekten im Sinne eines „Rosinenpickens“ vorangetrieben und damit die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte insgesamt gefährdet haben. Mittlerweile mehren sich überdies die Hinweise, dass auch der umgekehrte Fall verstärkt eintritt, dass also ein im Markterkundungsverfahren angekündigter Eigenausbau nicht stattfindet. Beiden Missständen lässt sich nur durch eine verbindlichere Ausgestaltung des Markterkundungsverfahrens begegnen. Die Unternehmen müssen sich an ihren Aussagen im Markterkundungsverfahren festhalten lassen. Ausbaubekundungen dagegen müssen mit einer verbindlichen „Meilenstein-Planung“ hinterlegt sein, deren Missachtung sofort dazu führt, dass ein Fördergebiet möglichst unbürokratisch entsprechend erweitert werden kann.

b)    Mobilfunk der nächsten Generation (5G) flächendeckend

In ganz Deutschland werden hochleistungsfähige Mobilfunknetze als Grundlage der wirtschaftlichen Entwicklung und moderner Dienste in Handlungsfeldern wie dem autonomen Fahren, der Landwirtschaft, dem Gewerbe, dem Handwerk, der Bildung oder der Gesundheit benötigt. Das gilt gleichermaßen für den Ausbau der Glasfasernetze. 5G ist viel mehr als ein besserer Mobilfunk. 5G ist die zentrale Steuerungstechnologie für die digitale Zukunft. Vor allem an den Unternehmensstandorten und auf landwirtschaftlichen Nutzflächen wird 5G benötigt. Sonst stellen sich viele Fragen nach wirtschaftlicher Entwicklung in einer globalisierten Welt gar nicht erst. Das wahre Fundament der Wirtschaftskraft Deutschlands steht auch im ländlichen Raum, der neben der Landwirtschaft für den Großteil der handwerklichen und industriellen Wertschöpfung und Beschäftigung steht.

Allerdings verpflichten die von der Bundesnetzagentur festgelegten Versteigerungsbedingungen die Mobilfunkunternehmen nur zur Versorgung bewohnter Gebiete und wichtiger Verkehrswege mit dem hochleistungsfähigem 5G-Mobilfunk. Umso mehr kommt es aus Sicht der Verbände jetzt darauf an, dass der vom Beirat der Bundesnetzagentur bis Mitte 2019 eingeforderte „Entwicklungspfad“ zum Netzausbau bzw. die von der Bundesregierung bis zum Sommer angekündigte „Gesamtstrategie“ einen Masterplan vorsieht, der eine wirklich flächendeckende Versorgung mit hochleistungsfähigem Internet in den nächsten drei Jahren sicherstellt.

Die Verbände erwarten, dass die Mobilfunkbetreiber auch die ihnen bereits zugeteilten Frequenzbänder in niedrigeren Frequenzbereichen unter 1 GHz zum Ausbau einer 5G-Grundversorgung nutzen. Derartige Frequenzen zeichnen sich durch hohe Reichweiten aus. Ferner sollte die Erschließung von 5G-Masten in bestehende Förderprogramme zum Glasfaserausbau integriert werden.

Für die Frequenzversteigerungen, die erst in den nächsten Jahren anstehen, erneuern DLT und DBV ihre Forderung nach einer Neuregelung der Frequenzvergabeverfahren, die sicherstellt, dass in einer ersten Stufe unrentable Gebiete im Wege einer Negativauktion veräußert werden, bevor in der zweiten Stufe wirtschaftlich lukrative Gebiete zur Auktion gelangen.

Ausbau der Förderung von Unternehmen und Infrastruktur in ländlichen Räumen

Die ländlichen Räume haben erhebliches wirtschaftliches Potenzial und leisten beachtliche volkswirtschaftliche Beiträge. Dies betrifft Landwirtschaft und Handwerk, aber auch vor allem den Mittelstand . Die wirtschaftliche Entwicklung der Fläche und der ländlichen Versorgungsstrukturen muss daher gezielt unterstützt werden, und zwar über einen breiteren Förderansatz in der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK). Die Herausforderungen, Potenziale und Entwicklungsvoraussetzungen in ländlichen Räumen haben sich gewandelt. Die traditionellen Aufgaben der GAK wie Agrarinvestitionsförderung, Dorferneuerung, Flurneuordnung, Wegebau und Wasserwirtschaft müssen daher um neue Aufgaben erweitert werden.

Es ist notwendig, einerseits Investitionen in Arbeitsplätze in und außerhalb der Landwirtschaft zu fördern und andererseits ländliche Infrastrukturen weiterzuentwickeln.

Der Deutsche Landkreistag hat daher einen Vorschlag zur Erweiterung des Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG eingebracht, wonach die GAK auch die Gewährleistung angemessener Versorgungsstrukturen in ländlichen Gebieten beinhalten sollte. DLT und DBV sind sich darin einig, dass es bei einer Erweiterung des Wirkungsbereiches in der GAK unabdingbar ist, die GAK auch dauerhaft, strukturell und über den aktuellen Sonderrahmenplan hinaus mit zusätzlichen finanziellen Mitteln des Bundes und der Länder auszustatten.

Mit der Verbreiterung des Förderspektrums könnte auf die veränderte Situation in den ländlichen Räumen angemessen reagiert werden. Es könnten künftig auch mittelständische Unternehmer wie Elektriker, Kfz-Mechaniker oder Handwerker unterstützt werden, die ebenso wie Metzger, Bäcker und Friseur für eine „Grundversorgung“ der Bevölkerung wichtig sind und verhindern, dass Menschen sich abgehängt fühlen und wegziehen. Möglich wären dann auch ergänzende Hilfen für eine Stärkung des Ehrenamts, beim Breitbandausbau für nichtlandwirtschaftliche Unternehmen oder die Förderung von KMU bei der Umsetzung von Digitalisierungsschritten und -maßnahmen von der Technik bis zur Geschäftsfeldentwicklung. Auch neue Arbeits- und Geschäftsmodelle der jungen Generation wie Coworking-Formate und Startups sollten stärker in den Blick genommen werden.

Auch die bestehenden Aufgaben der GAK sind weiter an gewandelte Herausforderungen anzupassen, vor allem im Hinblick auf Umwelt-, Natur-, Klimaschutz- und Tierwohlziele. Die Agrarinvestitionsförderung muss Impulse für zusätzliche Investitionen setzen und dabei vereinfacht werden. Die Diversifizierung der Erwerbstätigkeiten ist in vielen landwirtschaftlichen Betrieben ein wichtiges Standbein und stärkt die Vitalität ländlicher Räume. Ihre Förderung muss noch flexibler ausgestaltet und an die Bedürfnisse der Unternehmer angepasst werden, zum Beispiel beim Urlaub auf dem Bauernhof. Darüber hinaus besteht erheblicher Bedarf im ländlichen Wegebau, der für Landwirtschaft und Tourismus und die Fahrradmobilität im Alltag gleichermaßen wichtig ist.

Mehr Unterstützung für Unternehmen

Darüber hinaus ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) von großer Bedeutung für die Wirtschaftsförderung in ländlichen Räumen. Wichtig ist dabei – etwa mit Blick auf das anstehende neue gesamtdeutsche Fördersystem –, die Maßnahmen bedarfsgerecht auf ländliche und städtische Räume auszurichten und dabei die gegenseitigen Wechselbeziehungen zu beachten. Es darf nicht zu Kannibalisierungseffekten kommen. Werden demnach Förderkulissen sachlich oder gebietlich ausgeweitet, müssen auch die verfügbaren Mittel entsprechend erhöht werden. Eine Schlechterstellung ländlicher Räume muss in jedem Fall ausgeschlossen werden!

Mobilität und Erreichbarkeit in und von ländlichen Räumen

Regionale Mobilitätsangebote sollten dem Mobilitätsbedarf der Bevölkerung flexibel angepasst werden – auch mithilfe der Digitalisierung. Dazu gehört, die Anbindung an die großen Zentren und ebenso die Verbindungen innerhalb der ländlichen Räume sicherzustellen. Dementsprechend ist die Verkehrsinfrastruktur – allen voran der ÖPNV – auszubauen bzw. sind bedarfsgerechte Lösungen zu finden.

In einer besseren Vernetzung der vielfach überlasteten Ballungsräume mit den sie umgebenden ländlichen Gebieten liegen für beide Seiten große Chancen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass die Zusage aus dem Koalitionsvertrag auf Bundesebene umgesetzt wird, für den Schienenverkehr ein umfassendes Förderprogramm aufzulegen, das sowohl die Elektrifizierung von Strecken, entsprechender Fahrzeuge und erforderlicher Nachlade-/ Tankinfrastruktur umfasst.

Dezentralisierungsstrategie staatlicher Einrichtungen, insbesondere bei Bildung und Forschung

Die Debatte über eine stärkere dezentrale Ansiedlung von Bundes- und Landeseinrichtungen und besonders von Hochschul- und Forschungsstandorten wird von DLT und DBV begrüßt. Öffentliche Einrichtungen sollten strategisch in Regionen mit besonderem Entwicklungsbedarf angesiedelt werden, in denen demografische oder wirtschaftlich-strukturelle Probleme bestehen.Neben dem Beitrag zur Entzerrung überlasteter Ballungsräume können Bleibe- und Zuzugsperspektiven für junge Menschen geschaffen werden.

Ausgehend von dem Gedanken „Hochschulen sind Teil der Regionalentwicklung“ kann eine Verlagerung, Neu- oder Ausgründung von Hochschul- und Forschungsstandorten echte Impulse schaffen – in wirtschaftlicher, kultureller wie sozialer Hinsicht.